Mein Manuskript: Im Netz veröffentlicht und „verbrannt“? NEIN!

Viele Autoren sorgen sich um ihr Manuskript im Internet. Sie glauben, es „verbrennt“ bzw. verliert an Wertigkeit sobald man es im Internet zugänglich macht und wird somit für ein gedrucktes Buch oder professionell aufbereitetes E-Book nicht mehr brauchbar. Doch warum eigentlich? Ein Lektor, der ein Jahrhundertmanuskript, aus dem er den Besteller überhaupt machen könnte, in den Händen hält, denkt: „Oh, das Manuskript wurde bereits online veröffentlich. Jetzt muss ich es leider ablehnen?“ Dass dem nicht so ist, können zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit zeigen: „Anleitung zum Entlieben“ (ULLSTEIN) von Conni Lubek, die ihr Werk zunächst als Blog veröffentlicht hat, oder der Titel „Stadt, Land, Schluss“ (FISCHER) von Judith O’Reilly, der ebenfalls zuerst als Blog publiziert wurde.

Das Web als Buch

Webinhalte in Buchform sind längst keine Seltenheit mehr, insbesondere in den USA finden sich hierfür zahlreiche Beispiele. Dort ist es längst üblich, Webinhalte in die gedruckte Buchform zu transformieren. Beispielsweise wurde aus der Hälfte der vom Magazin TIME zu den 50 COOLEST WEBSITES 2005: BLOGS nominierten Blogs ein Buch – teilweise sogar mehrere (von POSTSECRET gibt es sogar schon fünf Teile, die auch international erfolgreich sind). Da Entwicklungen im Internet immer global funktionieren und die USA eine gewisse Vorreiterfunktion bezüglich der Trends digitaler Medienentwicklung einnehmen, kann man davon ausgehen, dass dieser Trend auch in Deutschland Fuß fassen wird und nicht nur Trend bleibt. Auch im deutschen Sprachraum kamen schon über die verschiedensten Wege die unterschiedlichsten Inhalte aus dem Web ins Buch – in nicht wenigen Fällen wurden die Texte lediglich redigiert. Einige dieser Projekte möchten wir euch gern vorstellen.

Erfolgsgeschichten

Das Buch 52 WOCHENENDEN von Jens Friebe ist ein weiteres Beispiel dafür, wie belletristische Inhalte zunächst im Web als Blog und später erfolgreich als Printprodukt erscheinen können. Es erschien 2007 zunächst im Verlag KIWI. Friebe, der hauptberuflich eigentlich Musiker ist, überlegte ein Buch online zu schreiben. Im Jahr 2006 sollten wöchentlich die Kapitel in Form von Blogbeiträgen auf 52 WOCHENENDEN veröffentlich werden. Schon ab Woche 7 des Projektes war der Verlags-Vertrag abgeschlossen. In der 52. Woche wurde das Projekt beendet und keine zusätzlichen Einträge wurden hinzugefügt. Das Buch erschien, aber das Blog blieb online – zumindest vorerst (mittlerweile ist es jedoch nicht mehr im Web zugänglich). Die Inhalte des Blogs wurden für das gedruckte Buch lektoriert. Weiterhin fügte man ein zusätzliches Gastkapitel von Linus Volkmann, Redakteur des Magazins INTRO, hinzu. Der Autor Dietmar Dath verfasste das Vorwort. 52 WOCHENENDEN wurde von den Lesern so gut angenommen, dass die erste Auflage bereits Mitte 2008 vergriffen war. Friebe selbst hatte die Idee zu einer Nachauflage im VERBRECHER VERLAG. Da die Verleger sich allerdings mehr Material als den Inhalt des Blog wünschten, wurde das Buch zur (nicht ganz echten) kritischen Ausgabe. Es erschien Anfang 2009.

Aber auch Inhalte aus Online-Communitys und –Netzwerken sind schon in Buchform erschienen. Ein Beispiel aus Deutschland ist die Plattform FRAG-MUTTI.DE. Auf dieser Seite werden Tipps zum Thema Haushalt gesammelt. Die Tipps der Seite werden von den Lesern eingesandt, von den Initiatoren veröffentlicht, mit Tags versehen und wiederum in den Kommentaren durch andere Leser bewertet. Im März 2006, drei Jahre nach der Gründung der Seite, erschienen die Tipps als Buch im FISCHER TASCHENBUCHVERLAG unter dem Titel FRAG MUTTI. Es wurde bereits über 80.000 Mal verkauft. Im Juni 2007 erschien das Buch FRAG VATI, welches auf den Inhalten der Schwesternseite FRAG-VATI.DE basiert. FRAG-VATI.DE enthält vor allem Heimwerker- und Finanztipps. Im 2008 folgte dann FRAG MUTTI – DAS SPARBUCH. In diesem Buch sind Tipps enthalten, wie junge Menschen sinnvoll sparen können.


Und die digitalen Werke verkaufen sich doch: als Printprodukte oder als E-Books…

Einige Werke, die zu Beginn online oder als Print-on-Demand veröffentlicht waren, sind bei Droemer Knaur bereits erfolgreich verlegt worden – und waren der Ausgangspunkt für die Überlegungen zu neobooks. Ein Beispiel: „Lucy im Licht“ von Markloff H. Niemz erschien zuerst im PoD-Verfahren, bevor es bei Droemer Knaur verlegt wurde. Blickt man auf die Websites zahlreicher Verlage und Agenten findet sich kein Hinweis darauf, dass nur unveröffentlichte Texte angenommen werden. Auch für Droemer Knaur ist das kein Hinderungsgrund. Dass online publizierte Projekte auch trotz ihrer Zugänglichkeit im Web auch im Buch oder E-Book funktionieren, liegt neben den geeigneten Inhalten vor allem im Mehrwert der lektorierten Version begründet. Die Texte wurden von erfahrenen Verlagsmitarbeitern lektoriert und konkretisiert und dadurch besser lesbar. Denn: Eine Idee ist noch kein Werk und ein Manuskript noch kein Buch oder E-Book. Das wisst ihr doch auch, oder? 😉 Deswegen dürfte das Thema Ideenklau auch kein Thema mehr sein… Nicht überzeugt? Hier kommen weitere Argumente:
1. Mit dem Upload wird durch Logfiles festgehalten, wer was wann veröffentlicht hat, d.h. es kann sogar ein Beweis sein, für die eigene Urheberschaft.
2. Alles, was online veröffentlicht ist, kann nachvollzogen werden. Das beste Beispiel ist Helene Hegemann mit „ihrem“ Werk „Axolotl Roadkill“, die mit ihrem Teil-Plagiat letztendlich aufgeflogen ist.
3. Jeder Autor stellt soviel von seinem Text ein, wie er möchte.
4. Für den Download gibt es ein DRM-System.
6. Wir wollen in Zukunft auch anbieten, dass Autoren für Ihre Werke auch optional einen Preis festlegen können, d.h. die Werke stehen nicht kostenlos im Netz. Nur für das Lektorat sind die Werke dann kostenlos einsehbar.
Weitere Vorteile des Buches sind: Ein Buch hat einen Anfang und ein Ende, man kann sich nicht durch Links unbewusst ablenken lassen. Der Leser klickt nicht einfach weiter, wenn er das Buch in der Hand hat – und das empfindet er, zumindest bei belletristischen Texten, als angenehm. Weitere Vorteile insbesondere des gedruckten Buches sind die Möglichkeit des Verschenkens oder die allgemeine, noch immer hoch geschätzte Haptik des Buches – dass es sich gut anfühlt und gut riecht. Dazu weist das Buch dem Internet gegenüber allgemeingültig höhere Wertigkeit auf – und es lässt sich besser ins Regal stellen.


Neue Zielgruppen…

Nicht zuletzt lassen sich mit einem professionell vertriebenen E-Book oder Buch, weitere, dem Internet nicht allzu vertraute Zielgruppen erschließen, die aber dennoch am Inhalt des Werkes interessiert sind. Warum? Verlage erreichen eine viel breitere Leserschaft – da freuen wir uns zwar über jeden Fan des Autors, aber die Leute, die es online auf neobooks gelesen haben sind nur ein Bruchteil der Leute, die es später kaufen werden. Wir bereiten das Werk optisch – z. B. durch ein ansprechendes Cover oder einen gut lesbaren Satz – und inhaltlich so auf, dass es ein Lesegenuss wird – darin sind wir Profis – egal, ob im E-Book oder Print.

… und ein treuer Fanclub!

Ein ganz anderer Vorteil, sein Manuskript oder Teile davon bereits vor Druck online zu stellen, ist zudem, dass man die Leser an der Entstehung des Buches teilhaben lassen kann – das bindet. Häufig zeigen sich schon zu diesem Zeitpunkt die Leser begeistert und kommentierten, dass sie es nicht erwarten können das Buch oder E-Book zu erwerben. Das kann man in Kommentaren vieler Blogs, die zu Büchern gepostet wurden, nachlesen. Nutzt die kostenlose Version eueres Werkes als Marketinginstrument – das machen sogar einige Bestsellerautoren und verkaufen ihre Bücher und E-Books dennoch – oder gerade deshalb?!? 😉 Man macht also die Leser mit einem Medium des Alltags auf sich aufmerksam und kann sie zu Fans werden lassen. Und dadurch könnt ihr auch die Lektoren auf euch aufmerksam machen. Damit ihr jedoch nicht in der Flut von Websites untergeht gibt es neobooks – hier sitzt ihr ganz nah an den Lektoren.
Ihr seht – es lohnt sich eure Werke online zu stellen!

Übrigens: Dieser Artikel wurde federführend von unserer Kollegin Anne Müller verfasst, die sich bereits in ihrer Magisterarbeit „Das gedruckte Internet – nutzergenerierte Webinhalte in Buchform“ mit dem Thema beschäftigt hat – sogar die Wissenschaft setzt sich also inzwischen mit Büchern oder E-Books auseinander, die zunächst im Internet veröffentlicht wurden. 😉


5 Gedanken zu “Mein Manuskript: Im Netz veröffentlicht und „verbrannt“? NEIN!

  1. Na, das nenn ich mal einen gut geschriebenen und informativen Artikel zu diesem Thema. Aus diesem werde ich gleich mal bei meinem Vortrag auf der BUCH WIEN zitieren 😉 Liebe Grüße aus Wien. R.

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