Solveig Engel gewann den diesjährigen Jury-Award des Indie Autor Preises für ihren Thriller „Neondunkel“. Solveig ist aber eigentlich nur der Böse Zwilling von Sabine Engel, die Physik studierte, am TRIUMF-Lab promovierte, für Spektrum der Wissenschaft schrieb und heute mit ihrer Familie bei Berlin lebt. 2013 veröffentlichte sie bereits das Kinderbuch „Mission mit Schwein“ im Baumhaus Verlag.
Im Interview verrät sie uns mehr über „Neondunkel“ und wie sich Schreiben und Beruf aufeinander auswirken.
Liebe Solveig, wir gratulieren nochmals herzlich zum Gewinn des Indie Autor Preises 2018 für deinen Thriller „Neondunkel“! Hast du damit gerechnet?
Vielen Dank! Und ehrlich gesagt: nein. Auf einen Platz auf der Longlist hatte ich ein bisschen gehofft. Als dann die Nachricht kam, dass ich es sogar auf die Shortlist geschafft hatte, habe ich für mich bereits gefeiert. Denn mit dem Preis habe ich wirklich nicht gerechnet. Die Konkurrenz war ja auch groß und vor allem vielfältig. Ich habe einige der anderen Bücher gelesen und bin mir sicher, dass bei mir auch ein bisschen Glück im Spiel war. Das schmälert jedoch nicht meinen Stolz, wenn ich die Trophäe jeden Tag in meinem Arbeitszimmer sehe.
Dir ist mit „Neondunkel“ ein sehr spannender und authentischer Wissenschaftsthriller gelungen. Du selbst bist Wissenschaftlerin. Ist diese Parallele Zufall oder Absicht?
Absicht! Ohne meine persönlichen Erfahrungen in der Wissenschaft wäre das Buch niemals so authentisch geworden. Auch wenn das Labor in der Ruhr-Uni, wo ich vor einigen Jahren für meine Diplomarbeit geforscht habe, nicht ganz so tief unter der Erde liegt, hat es die Geschichte inspiriert. Ich habe dort sehr gerne gearbeitet. Und obwohl es ein blutiger Thriller ist, steckt viel Liebe in der Geschichte. Natürlich bin ich nicht Mel. Zum Glück! Aber ich fühle mit ihr. Und viele der Figuren erinnern an Menschen, die ich kennengelernt habe.
Was hat dich motiviert, einen Thriller mit wissenschaftlichem Hintergrund zu schreiben?
Eigentlich hatte ich zunächst gar nicht an einen Wissenschaftsthriller gedacht. Ich wollte einen Thriller für Frauen schreiben, der einfach mal in einer anderen Umgebung spielt. Das Physiklabor war insofern naheliegend, weil ich mich in dieser Welt auskenne und so ein Labor durchaus eine angenehm schaurige Kulisse bildet. Als das Manuskript fertig war, haben einige Freundinnen es zur Probe gelesen. Nur zufällig fiel es einem Bekannten in die Hände, der selbst Autor und promovierter Biologe ist und in der Geschichte direkt mehr Potential sah. Also habe ich schließlich die Liebesgeschichte gekürzt und mich auf den Wissenschaftsaspekt konzentriert. Dadurch ist es etwas Besonderes geworden. Der Thriller hat tatsächlich ein gewisses Alleinstellungsmerkmal, den vielbeschworenen Unique Selling Point, auch wenn manche Freundin der Liebesgeschichte noch ein bisschen hinterhertrauert.
Deine Hauptfigur Dr. Melanie Glanz ist ebenso wie du von Beruf Physikerin. Inwieweit erkennst du dich in Melanie wieder?
Mel möchte einfach nur in Ruhe das tun, was ihr am meisten Freude macht, nämlich forschen. Allerdings ist sie innerlich zerrissen. Einem Teil von ihr, nämlich Anni, reicht das nicht. Sie fordert auch die öffentliche Anerkennung ihrer Leistung. Beide Seiten kann ich sehr gut verstehen. An manchen Tagen überwiegt der Mel-Charakter in mir, und ich bin zufrieden mit mir und der Welt und dem, was ich tue. An anderen Tagen wünsche ich mir mehr. Ab und zu braucht wahrscheinlich jeder einmal das Gefühl, das auch andere die eigene Arbeit wertschätzen. In diesem Sinne noch einmal herzlichen Dank für den Preis! Ich habe mich riesig darüber gefreut. Und nun muss ich auch keinen erfolgreicheren Autorenkollegen mehr umbringen. ; )
Gibt es noch mehr Aspekte in „Neondunkel“, die auf wahren Begebenheiten beruhen?
Noch mehr? Also umgebracht habe ich im wahren Leben noch niemanden. Ein Kollege von mir, der von Neondunkel gehört hat, hat schon gescherzt, dass er wisse, wen ich während meiner Doktorarbeit wirklich am liebsten ermordet hätte. Er fand es betrüblich, dass diese Figur gar nicht vorkam. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Für diese Doktorarbeit habe ich übrigens am TRIUMF Lab in Vancouver geforscht. Dieses Labor wird in Neondunkel ebenfalls erwähnt, und eine Freundin, die in Vancouver bei der Staatsanwaltschaft arbeitet, hat mir genau erklärt, welche Polizei auf dem Gelände zuständig ist, da das Grundstück nicht zur Stadt sondern den First Nation People gehört. Ansonsten fällt mir spontan nichts ein. Das Verhältnis zu meinem Vater ist glücklich. Und der einzige Schatten, den ich habe, läuft auf vier Pfoten und hört auf den Namen Anubis.
Fiel dir das Schreiben leichter, weil du mit den wissenschaftlichen Aspekten bereits vertraut bist oder musstest du dennoch einiges recherchieren?
Ein bisschen habe ich hier und da noch recherchiert. Vieles lässt sich aber nicht einfach nachlesen. Insbesondere die Atmosphäre in einem Labor muss man erleben, um sie authentisch beschreiben zu können. Zum Beispiel würde in der Physik niemand seinen Kollegen mit Titel anreden. Gerade Mels Fachgebiet ist so klein, dass sich die meisten untereinander kennen und oft schon zusammen gearbeitet haben. Da sind Vornamen eher die Regel. Es ist immer recht lustig, wenn es in gewissen Filmen anders gehandhabt wird. Oder der geniale Professor auch in jedem Randgebiet brilliert. Ein schönes Beispiel für authentische Figuren ist „Big Bang Theory“. Die Serie ist natürlich bewusst etwas überzeichnet, aber in sich schon ziemlich realitätsnah. Ich finde sie großartig.
Welche Tipps kannst du anderen Autoren geben, die ihren Beruf mit in ihr Buch mit einfließen lassen möchten?
Die Balance zu finden, zwischen Realität und Fiktion ist nicht einfach. Hier muss jeder selbst entscheiden, wie frei er schreiben mag, und aufpassen, dass bei aller Liebe zur Wahrheit zumindest die Figuren genügend verfremdet und alle Persönlichkeitsrechte geachtet werden. Aber auch wenn ein Buch authentisch ist, soll es den Leser am Ende unterhalten. Insofern finde ich, dass ein gewisser Abstand hilft, zeitlich wie räumlich. Zumindest mir fällt es dann leichter, mich von der realen Situation zu lösen. Nicht jeder Ablauf muss akribisch beschrieben werden. Um die Spannung und das Erzähltempo zu halten, sind Abkürzungen durchaus erlaubt. Situationen dürfen überspitzt oder verdichtet werden, ebenso wie Charaktere. Wichtig ist, dass die Geschichte wahr sein könnte. Dann braucht nicht jedes Detail zu stimmen, solange es sich richtig anfühlt. Außerdem ist es mir persönlich wichtig, dass ich alle meine Figuren liebe. Da ist mehr Abstand zuweilen sehr hilfreich. ; )
Wie sieht dein Schreiballtag aus? Hast du täglich Zeit fürs Schreiben? Wie bringst du deinen Beruf mit dem Schreiben unter einen Hut?
Normalerweise beginnt mein Arbeitstag, wenn meine Familie morgens das Haus verlässt. Dann gehe ich mit dem Hund raus und lasse schon mal meine Gedanken schweifen. Wenn ich zurückkomme, setze ich mich an den Schreibtisch und lege los. Das klappt an manchen Tagen besser als an anderen. Heute hatte ich mir zum Beispiel fest vorgenommen, an einem neuen Roman weiterzuschreiben, den ich letztes Jahr begonnen hatte und übrigens wegen des Indie Autor Preises unterbrochen habe. Erst habe ich Neondunkel soweit überarbeitet, dass ich das Manuskript einreichen konnte. Danach kam immer etwas dazwischen, ein aufwendiges Exposé für einen neuen Stoff oder ein Wettbewerb. Vorgestern habe ich endlich wieder ein paar Seiten geschrieben. Doch dann brachte die Post den ersten Satzlauf für mein Weihnachtsbuch „Der Wichtelstreik“. Es erscheint im September im Boje Verlag. Mein Text ist jetzt mit den Illustrationen gesetzt worden und muss korrekturgelesen werden. Das macht natürlich Spaß, beschäftigt mich aber auch wieder für ein paar Tage.
Welche Tipps würdest du abschließend anderen AutorInnen geben, wie sie ihren Beruf mit dem Schreiballtag arrangieren können?
Oh, da bin ich gerade die falsche Ansprechpartnerin. Ich habe mich tatsächlich von meiner Arbeit freistellen lassen, um zumindest für ein paar Jahre ausschließlich zu schreiben. Das ist ein unglaublicher Luxus, und ich habe keine Ahnung, wie lange ich mir das erlauben kann. Aber im Moment genieße ich es.
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