Nächste Woche ist es endlich soweit! Jenny Karpe startet ihren Versuch in drei Tagen einen ganzen Roman zu schreiben! So hatte sie in den letzten Wochen die Zeit intensiv genutzt, um sich auf die Schreibchallenge vorzubereiten! „Was will ich schreiben“, „wie strukturiere ich meinen Roman“ sind Fragen, die Jenny sich unter anderem gestellt hat. In unserem heutigen Blogbeitrag verrät sie uns die Antworten…
Ich plotte eigentlich immer, egal, ob es um eine Kurzgeschichte, einen Roman oder eine Semesterarbeit geht. Denn unter »Plotten« verstehe ich vor allem, mir im Vorhinein Gedanken zu machen: Was will ich schreiben, wie strukturiere ich das Ganze, was muss ich beachten? Normalerweise beginnt alles mit einer Idee. Entweder gibt einem der Professor die Aufgabe, ein Essay über Kommunikation im Internet zu schreiben, oder man hat unter der Dusche einen plötzlichen »Was wäre, wenn …?«-Gedanken. Ersteres ist einfacher zu händeln: Man weiß, was der Professor von einem will, im Grunde ist es keine eigene Idee, sondern eine strikte Vorgabe. Trotz allem sollte man diese auf eigene Art umsetzen – allerdings überlegt man sich dafür (hoffentlich) keine Antagonisten, Cliffhänger, Red Herings oder Plot Twists.
Der »Was wäre, wenn …?«-Gedanke ist schwieriger. Lautet er beispielsweise »Was wäre, wenn ein Mord ohne Leiche geschieht?«, kann man daraus einen Krimi oder einen Thriller machen. Es kann sich aber auch um einen historischen Roman, Science-Fiction, einen Western oder ein völlig anderes Genre handeln. Anders als in der Universität sind wir nicht dazu gezwungen, etwas Bestimmtes mit der Idee anzufangen. Mein erster Schritt ist also meistens, die Idee einem Genre zuzuordnen.
Die Entwicklung einer Idee
Bevor ich damit beginne, die Idee stupide mit ähnlichen Geschichten aus diesem Genre zu vergleichen, überlege ich, was meine Idee einzigartig macht oder machen könnte. Meist stelle ich sie zu diesem Zeitpunkt einigen Freunden vor, die mir dann sagen können, ob es die Idee schon einmal gab. Die Gefahr nimmt schließlich mit jeder neuen Geschichte zu. Während dieses Prozesses entwickelt sich die Idee beinahe automatisch weiter, einzelne Charaktere und Orte entstehen, ein Antagonist stellt sich vor. Ich notiere meist auch völlig zusammenhangslose Einfälle, da man mehr vergisst, als man meint. Und später kann eine der zunächst dämlichen Ideen den entscheidenden Twist bringen. Ich persönlich plotte gerne mit der Hand, in einem schlichen Ringbuchblock. Darin sind mal einzelne Ideen, mal fertig geplottete Bücher enthalten. Das hat den Vorteil, dass ich bei der Arbeit an einem neuen Projekt immer zwischen den alten, scheinbar dämlichen Ideen stöbern kann. Chaos vermeide ich mithilfe von bunten Plastiktrennern. Obwohl ich keine richtige Plotmethode verwende, versuche ich trotzdem, der Geschichte fünf bis sieben entscheidende Punkte zu geben. So weiß ich, dass der Held am Anfang im Schlamassel stecken sollte, oder dass es meist in der Mitte einen großen Erfolg gibt, nach welchem die scheinbare Ausweglosigkeit kommt. Ich notiere – wie damals im Deutschunterricht! – pyramidenförmig den Verlauf der Geschichte, überprüfe einzelne Stationen und schaue, ob ein Aspekt eventuell zu kurz kommt. Dabei stehen besonders die einzelnen Konflikte im Vordergrund: Meistens tut sich ein neuer auf, wenn ein anderer abgeschlossen wurde. Die Konflikte sind es, was die Charaktere antreibt, und meistens sind sie bei mir ganz eng mit der ursprünglichen Idee verbunden.
Elementar: Die Charaktere einer Geschichte
Sie entstehen gemeinsam mit der Geschichte, immerhin beeinflussen sie sich gegenseitig. Mithilfe von Soziogrammen setze ich den Protagonisten in Beziehung mit den Nebencharakteren. Wer überflüssig ist, fliegt da manchmal einfach raus.Wenn es darum geht,die Geschichte mit den Charakteren zu vereinen, greife ich gerne auf den sogenannten DSP, den Deep Shit Point zurück. Der tritt ein, wenn der Protagonist seinen absoluten Tiefpunkt erlebt. Wenn es keinen gibt, habe ich ein Problem; dann weiß ich, dass der Charakter nicht genug mit der Geschichte verknüpft ist. Schließlich, wenn Genre, Welt, Charaktere und Verlauf der Geschichte stehen, sortiere ich alles sinnvoll. Hier kommen auch die oben erwähnten falschen Fährten und Cliffhänger zum Einsatz. Im Gegensatz zu den Twists konzentriere ich mich recht spät auf sie: An welcher Stelle kann ich den Leser etwas ärgern und die Spannung erhöhen? Wenn der Ablauf der Geschichte feststeht, ist es meines Erachtens leichter, solche Punkte auszumachen. Zu guter Letzt notiere ich alles strukturiert in sehr langen Listen mit Punkten wie »Sam beschließt, Fischer zu werden« und dem Unterpunkt »Carlotta beobachtet ihn dabei, wie er seiner Mutter davon erzählt«. Ich schließe mit den teils tatsächlich dämlichen Ideen ab, stelle den Plot eventuell einem Freund vor und fange dann – endlich! – mit dem Schreiben an!
»Zwei Kontinente auf Reisen« ist eine dieser zunächst scheinbar dämlichen Ideen gewesen, die ich bei der Arbeit an einem anderen Roman hatte. Während ich südpazifische Inseln für dieses alte Projekt recherchiert habe, kam der Gedanke: »Was wäre, wenn man eine Insel auf einer Art Wippe hat – und zwei Feinde sich darauf gegenüberstehen? Und was wäre, wenn die Insel kippt, sobald sich die Feinde bekämpfen?« In das damalige Projekt hat diese Idee absolut nicht gepasst, aber ich habe sie seither trotzdem mit mir herumgetragen, sechs Monate lang. Seit etwa einem Monat beschäftige ich mich täglich mit den Figuren, den Hintergründen der Insel, den Feinden und gemeinen Twists, die in durchgemachten Nächten mit stundenlangen Telefonaten entstanden sind. Anders als bei anderen Projekten habe ich noch rein gar nichts an »Zwei Kontinente auf Reisen« geschrieben, nicht einmal einen kurzen Prolog. Dementsprechend juckt es mir mit jedem Tag mehr in den Fingern, ab Montag endlich meine Idee umzusetzen!
Mehr zur Jenny Karpe erfahrt ihr auf ihrem Blog.