Tipps zum Schreiben von Romanen – Wahl der Protagonisten

Wir möchten unseren Blog auch dazu nutzen, Ihnen einige Tipps für den Schreiballtag zu geben, die wir in regelmäßigen Abständen unter der Überschrift Tipps zum Schreiben veröffentlichen werden.

 Wir erfinden hier das Rad natürlich nicht neu, sondern durchforsten – ganz ähnlich wie Sie zu Hause – die Literatur zum Thema und venknüpfen dieses Wissen mit unserer Erfahrung aus dem Lektoratsalltag. 

Heute also ein paar Sätze zum Thema:

Hauptfiguren/Protagonisten

Der Wahl Ihrer Protagonisten kommt eine ganz entscheidende Rolle zu! Denn nur wenn diese in sich schlüssig gezeichnet sind, wird sich der Leser in sie hineinversetzen können. Beginnen Sie also immer damit, für Ihre Protagonisten fiktive Biografien zu entwerfen.

Soll eine literarische Figur echt und lebendig wirken, im passenden Stil sprechen und in sich schlüssig handeln, muss man sie vorher gründlich kennen lernen. Lajos Egri beschreibt in „The Art of Dramatic Writing“ Personen dann als abgerundet, wenn sie dreidimensional sind: Physiologisch, soziologisch, psychologisch. Und auch wenn Egri dies bereits 1946 beschrieben hat, hat es auch heute noch Gültigkeit.

Physiologische Dimension

Wie sich unser Charakter entwickeln, hängt auch von unserer äußeren Erscheinung ab: Größe, Geschlecht, Körperbau, Hautfarbe, Narben, Verunstaltungen, Stimmlage, nervöse Ticks und so weiter: Ein hübsches schlankes Mädchen wächst mit völlig anderen Erwartungen ans Leben auf wie ihre übergewichtige Schwester mit der spitzen Nase und den Froschaugen. Um eine Figur wirklich abrunden zu können, muss man ihre Physiologie durch und durch verstanden haben.

Soziologische Dimension

Welcher sozialen Schicht gehört die Figur an? In welchem Milieu ist sie aufgewachsen? Welche politischen und religiösen Ansichten hat sie? Was hielten ihre Eltern von Sex, Geld und Karriere? Hat man ihr viel Freiheit gelassen oder keine? Hatte sie viele Freunde oder überhaupt keine? Gab es im Elternhaus körperliche oder seelische Gewalt? Ist die Figur auf einem einsamen Gutshof oder in einem unpersönlichen Wohnblock in der Großstadt aufgewachsen? Solange ein Autor die Entwicklung seiner Figur nicht von Grund auf kennt, sind deren Beweggründe nicht ganz zu verstehen. Und es sind diese Beweggründe, die die Konflikte produzieren und die erzählerische Spannung erzeugen, die Ihr Roman haben muss, wenn er die Aufmerksamkeit der Leser fesseln möchte!

Psychologische Dimension

Die psychologische Dimension ist das Ergebnis der anderen beiden: Hier finden sich Phobien und Manien, Ängste, Hemmungen, Schuldgefühle, Sehnsüchte etc. Es werden auch Dinge wie Intelligenz, Begabung, Gewohnheiten, Empfindlichkeiten und ähnliches mit einbezogen. Sie müssen kein Psychologe sein, um einen Roman zu schreiben, aber es hilft, die Menschen zu studieren und verstehen zu lernen, warum Leute tun, was sie tun! Hören Sie zu, wenn Menschen sich beklagen, fragen Sie nach, warum jemand etwas tut, was Sie nicht verstehen: Sie werden erstaunliche Antworten bekommen!

Vermeiden Sie Stereotypen – Schaffen Sie dynamische Figuren!

Der Kriminalkommissar, der sich in seinem Leben nicht zurecht findet und zu viel trinkt, der geltungssüchtige Vorgesetzte, die Hure mit dem goldenen Herzen: Wenn alle Erwartungen des Lesers an eine Figur erfüllt werden, wenn es keine Widersprüche oder Überraschungen gibt, dann haben Sie eine stereotype Figur. Und dieser sollten sie einen bewussten Bruch hinzufügen (der Kriminalkommissar ist in Wahrheit homosexuell, der geltungssüchtige Vorgesetzte engagiert sich heimlich sozial…). Aber Vorsicht! Der Bruch muss gut in die Figur integriert sein, ein logisches Ergebnis der physiologischen, soziologischen und psychologischen Statur – kein plötzlicher Einfall des Autors, um „originell“ zu wirken!

Aber selbst wenn Sie Ihre Figuren sauber gezeichnet haben, Stereotypen vermieden und eine schlüssige fiktionale Biografie (inklusive eines passenden Namen!) vorliegen haben, können sie immer noch statisch und somit langweilig wirken. Statten Sie – zumindest einige Ihrer Figuren – mit starken Gefühlen aus, mit einer zentralen Triebkraft und einer beherrschenden Leidenschaft, aus der sich der Grundkonflikt Ihres Werkes ergibt – dann können die Leser mitfühlen und mitfiebern!

Quelle und Tipp zum Weiterlesen

James N. Frey, Wie man einen verdammt guten Roman schreibt. Emons 1997

Ein absolutes Standard-Werk, das viele Basics und Wissenswertes enthält!


Ein Gedanke zu “Tipps zum Schreiben von Romanen – Wahl der Protagonisten

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.