Jäger Roren gerät in die Wirren eines Krieges der Kreaturen und muss sich auf seiner Flucht plötzlich mit Hunger, Krankheit und verschiedenen Völkern auseinandersetzen. Jan-Henrik Martens ist der Autor hinter dieser spannenden Geschichte. In unserem Interview erzählt er uns heute, wie er zu seinem Genre fand, und gibt Tipps für eine eigene Schreibroutine.
Dein fantastischer Debütroman „Eine Heimat des Krieges“ wurde direkt zum Monatsfavoriten im August ausgewählt, herzlichen Glückwunsch! Was zeichnet für dich das Genre Fantasy aus?
Vielen Dank. Ich freue mich sehr, dass mein Debütroman unter die Monatsfavoriten gewählt wurde. Das ist für einen jungen Schriftsteller natürlich ein schönes Gefühl.
Ein hervorstechendes Merkmal von Genres wie Fantasy oder Science-Fiction ist für mich die Möglichkeit zum Eskapismus. Man lässt sich auf völlig unterschiedliche Welten, Gesellschaften und Charaktere ein, kann dem Alltag entfliehen und eintauchen ins Magische und Fremdartige. Das ist eine willkommene Auszeit, wenn die eigenen Sorgen und Probleme mal erdrückend erscheinen. Der Grund, warum mein Erstlingswerk der Fantasy-Gattung angehört, ist jedoch ein anderer.
Ich sehe in einem Fantasy-Setting einen wesentlich wichtigeren Vorteil – es ist möglich, reale Geschehnisse mit einer gewissen Distanz zu betrachten. Wer einen Blick in „Eine Heimat des Krieges“ wirft, wird schnell feststellen, dass aktuelle politische und gesellschaftliche Themen in dem Roman aufgegriffen werden. Fantasy ermöglicht es, diese Themen weniger plakativ umzusetzen. Religionen und Volksgruppen sind mit Stereotypen und Vorurteilen behaftet, und das ist nur natürlich. Der große Vorteil an dem Fantasy-Genre: Es gibt keine vorhandenen Meinungen beim Leser, er kennt die Welt nicht, die Gruppierungen und Personen sind ihm gänzlich neu. Da kristallisieren sich Meinungen erst beim Lesen heraus. Das eröffnet natürlich einen gewissen Spielraum, den ein Autor bei Krimis oder üblicheren Formen der Gegenwartsliteratur in dem Ausmaß nicht hat.
In „Eine Heimat des Krieges“ taucht man als Leser in eine vollkommen fremde Welt ein. Woher hast du die Ideen für deine Settings und Figuren genommen?
Das ist schwer zu sagen. Als ich sechzehn Jahre alt war, wollte ich bereits einen Fantasy-Roman schreiben, aber es fehlten die handwerklichen Fähigkeiten und die nötige Disziplin, um monatelang an einem solchen Projekt zu arbeiten. Schon damals faszinierten mich Fantasy-Geschichten, aber nicht die mit Elfen und Zwergen und Magie. Wirklich inspiriert haben mich die Storys über gebrochene Helden und düstere Welten, sehr mittelalterliche Geschichten mit niedrigem Fantasy-Anteil. Im Laufe der Jahre kam da einiges an Einflüssen zusammen, aus den verschiedensten Quellen. Solche Geschichten schufen das Setting von „Eine Heimat des Krieges“. Bei den Figuren und der Handlung haben mich vor allem Antikriegsromane und Familiensagen inspiriert, besonders von Erich Maria Remarque und Leo Tolstoi. Die Natur des Krieges und die Auswirkungen auf Familien und Völker und die Gefühle eines jeden – darum ging es mir hauptsächlich in meinem Roman; und ich hoffe, ich konnte meinen literarischen Vorbildern ein wenig gerecht werden.
Du studierst Recht, Personalmanagement und -psychologie. Bedeutet das Schreiben für dich auch einen Weg, vom Stress und vom Alltag einfach mal abzuschalten?
Ja, anfangs. Als ich noch Kurzgeschichten für das Internet geschrieben habe, war das ein schönes Ventil. Einfach mal loslassen und etwas erschaffen. Natürlich wollte ich bald mehr, habe an Ausschreibungen und Wettbewerben teilgenommen. Und als ich die ersten Erfolge verzeichnen konnte, war die Zeit für einen Roman endlich reif. Ich schätze, niemand schreibt ein fünfhundertseitiges Werk und hat immer Spaß daran. Es gab Wochen, die waren sehr stressig, Szenen, mit denen ich lange Schwierigkeiten hatte. Man zerbricht sich den Kopf, kann kaum abschalten. Da war ich froh, beim Studium auf andere Gedanken zu kommen. Das Studium war stellenweise tatsächlich stressfreier als das Schreiben. Im Nachhinein überwiegt natürlich der Spaß, den ich beim Erschaffen von „Eine Heimat des Krieges“ hatte, aber wie gesagt, das war nicht immer so. Es gibt Schönes und weniger Angenehmes. In mancher Hinsicht unterscheidet sich das Schreiben wohl nicht von anderer Arbeit.
Dein Roman ist mit knapp 500 Seiten ja doch einer der längeren Texte. Wie hast du da beim Schreiben den Überblick behalten?
Ich mache mir keine Notizen oder Ähnliches. Das lenkt mich mehr ab, als dass es mir hilft. Zudem ändert sich vieles sowieso wieder, und ich finde, Notizen verhindern dynamische Entwicklungen der Handlung und Charaktere in gewisser Weise. Man hat sich ja schon festgelegt und möchte den Plan dann auch einhalten. Das blockiert mich.
Um trotzdem einen Überblick zu behalten, habe ich jede einzelne Szene vor meinem geistigen Auge visualisiert. Als würde jemand meine Gedanken verfilmen. Wer sind die handelnden Personen? Wie sehen sie gerade aus und in welcher Umgebung befinden sie sich? Was tun und wollen sie? Was ist das Ziel der Szene? Inwiefern ist sie für das große Ganze notwendig? Wenn mir all diese Aspekte klar sind, stelle ich mir die Szene bildlich vor, immer wieder leicht verändert, bis ich mit dem Ergebnis recht zufrieden bin. Das hilft ungemein beim szenischen Schreiben, und man vergisst so schnell nichts. Es ist wie mit einem Spielfilm. Hat man ihn ein einziges Mal gesehen, ist man mit dem Ablauf und der Prämisse vertraut, und hat man diesen Film dann zwanzig Mal gesehen, kann man ihn runterbeten, kennt sogar die meisten Dialogzeilen auswendig und weiß, wie der Spannungsbogen verläuft, wann die Wendungen und Enthüllungen einsetzen.
Hast du für angehende Autoren irgendwelche Tipps, wie man sich während des Schreibens immer wieder neu motivieren kann oder wie man eine Schreibroutine aufbaut?
Man darf einfach nicht zu viel erwarten. Sich stundenlang hinsetzen und zweitausend Worte schreiben, das schaffen nur die wenigsten Autoren. Dennoch ist es wichtig, dranzubleiben. Ich habe hin und wieder eine Woche nicht an dem Roman gearbeitet, und es war schwierig, dann wieder reinzufinden. Es hilft, wenn man täglich etwas tut, ob es nun das Korrigieren eines einzigen Satzes oder das Schreiben eines halben Kapitels ist. Wenn man kontinuierlich an dem Roman arbeitet, kommt man irgendwann an sein Ziel, auch mit noch so kleinen Schritten. Diese Vorstellung hat mich motiviert, wenn die Mammutaufgabe Roman unlösbar erschien. Und man darf bloß nicht denken, niemand interessiere sich für das eigene Werk, das, was man mache, sei alles Zeitverschwendung. Zweifel sind normal und gehören zum Schreiben dazu, aber man darf sich nicht von ihnen beherrschen lassen. Am Ende kann man nur gewinnen – entweder man schreibt einen großartigen Roman, oder man verbessert seine handwerklichen Fähigkeiten, um eines Tages einen solchen zu verfassen.